Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat sich beim Landesparteitag der SPD in Münster klar gegen eine generelle Verpflichtung zur Überprüfung der Dichtigkeit von privaten Hausanschlusskanälen ausgesprochen.
"Da ich davon ausgehe, dass die Landtagsmehrheit hier der Auffassung der Ministerpräsidentin folgen wird, dürfte das in einigen Kommunen lebhaft diskutierte Thema erstmal zu den Akten gelegt werden. Gut, das wir in Steinhagen abgewartet haben", so Bürgermeister Klaus Besser. Betroffen sind insbesondere die zahlreichen alten Hausanschlüsse der in den 50er, 60er und 70er Jahren gebauten Häuser. Bei Neubauten sind Dichtheitsprüfungen hingegen schon seit vielen Jahren Pflicht.
Die verpflichtende Dichtheitsprüfung war noch unter der schwarz-gelben Landesregierung unter Ministerpräsident Rüttgers eingeführt worden. Inzwischen haben sich in Düsseldorf SPD und Grüne auf die von der Ministerpräsidentin vorgeschlagene Neuregelung des Landeswassergesetzes verständigt. Dies wird von CDU und FDP ausdrücklich begrüßt. Es ist also mit einer breiten Mehrheit im Landtag zu rechnen.
Die Überprüfung privater Kanäle soll lediglich in Wasserschutzgebieten oder bei gewerblichen Immobilien zur Pflicht werden. Außerhalb von Wasserschutzgebieten - und das ist in Steinhagen der wesentliche Teil des Gemeindegebietes - soll in NRW die bundesgesetzliche Pflicht zur Dichtheitsprüfung bei Abwasserkanälen künftig flexibel und ohne starre Überprüfungspflichten umgesetzt werden. Zu diesem Zweck soll das Landeswassergesetz zeitnah reformiert werden.
Die Fraktionen von CDU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen hatten sich in einem gemeinsamen Antrag zur Dichtheitsprüfung bei privaten Abwasserleitungen (§ 61 a LWG NRW), der Ende Juni 2011 im Landtag diskutiert wurde, auf folgende Eckpunkte geeinigt:
Es soll an der Pflicht zur Dichtheitsprüfung bei privaten Abwasserleitungen festgehalten werden. In 7 Punkten sollen Aussagen dazu gemacht werden, wie die gesetzliche Regelung zukünftig vollzogen werden soll. Diese vorgesehenen 7 Punkte sind:
1. Dichtheitsprüfungen von privaten Abwasseranlagen außerhalb von Wasserschutzgebieten sollen zeitgleich dann durchgeführt werden, wenn die Kommune eine entsprechende Überprüfung und Maßnahmen für den jeweiligen öffentlichen Kanal vorsieht. Die sich aus diesem abgestimmten Verfahren ergebenden Synergien sollen weiter genutzt werden können.
2. Anforderungen an Form und Inhalt der Bescheinigung über die Durchführung einer Dichtheitsprüfung sind in einer landeseinheitlichen Musterdichtheitsbescheinigung festzulegen. Eine einheitliche Form der Bescheinigung erleichtert die Handhabung durch die betroffenen Bürgerinnen und Bürger, die prüfenden Unternehmen sowie durch die zuständigen Behörden.
3. Für Bürgerinnen und Bürger dürfen keine strengeren Maßstäbe gelten, als sie der öffentlichen Hand auferlegt werden. Grundsätzlich ist eine zeitgleiche Sanierung öffentlicher und privater Kanäle anzustreben. Daher sollte eine Entscheidungshilfe erstellt werden, auf deren Basis entschieden werden kann, wann eine Sanierung entbehrlich ist, so dass z. B. Bagatellschäden ausgenommen werden können.
4. Gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden sollte die Mustersatzung überarbeitet werden, insbesondere im Hinblick auf die Art der Dichtheitsprüfung. Im Hinblick auf die Altersstruktur privater Abwasserkanäle gilt es, die schonendste Art der Dichtheitsprüfung zu nutzen. Grundsätzlich stehen für die Prüfung bestehender Leitungen für häusliches Abwasser alle Prüfmethoden zur Verfügung. Dies schließt neben der Druckprüfung und der TV-Inspektion auch die Wasserstandsfüllprüfung (einfache Dichtheitsprüfung) ein. Darüber hinaus wird die Einführung einer drucklosen Durchflussprüfung gefordert. Dem Eigentümer oder der Eigentümerin ist bei der Dichtheitsprüfung privater Abwasserkanäle die Wahlfreiheit zwischen den zur Verfügung stehenden Prüfverfahren einzuräumen. Lediglich für Fremdwasserschwerpunktgebiete und in Wasserschutzgebieten sind Ausnahmen sinnvoll.
5. Die Betroffenen müssen vor sog. Kanalhaien geschützt werden. Gemeinsam mit den kommunalen Spitzenverbänden soll sichergestellt werden, dass die Kommunen ihren gesetzlichen Beratungspflichten nachkommen und Grundstücksbesitzerinnen und Grundstücksbesitzer bei der Frage nach Art und Notwendigkeit einer Sanierung unterstützen.
6. Es ist sicherzustellen, dass die Förderleistungen aus der Abwasserabgabe (Investitionsprogramm Abwasser) für private Kanalsanierungen ab dem 01. Januar 2012 nahtlos an die heute geltende Regelung, die Ende 2011 ausläuft, anschließen können. Darüber hinaus sind mit Hilfe geeigneter Programme der NRW.BANK weitere Fördermöglichkeiten für privaten Grundstücksbesitzerinnen und Grundstücksbesitzer wie auch für die Sanierung kommunaler Liegenschaften aufzulegen.
7. Durch geeignete Maßnahmen sollen die Betroffenen über die Dichtheitsprüfung informiert werden.
Am 06.07.2011 wurde im Umweltausschuss des Landtages NRW eine zweistündige Anhörung von Sachverständigen zum Thema „Dichtheitsprüfung bei privaten Abwasserleitungen (§ 61 a LWG NRW)“ durchgeführt. Durch den Umweltausschuss waren neben den kommunalen Spitzenverbänden, die Stadtentwässerungsbetriebe Köln und die Stadt Dülmen, Haus und Grund NRW e. V. sowie verschiedene Interessengemeinschaften eingeladen, die gegen die Pflicht zur Dichtheitsprüfung mobil gemacht hatten. Außerdem war als Vertreter des Bundesumweltministeriums, Herr Dr. Helge Wendenburg, als Sachverständiger geladen.
In der Anhörung wurde zunächst auf die Frage verschiedener Abgeordneter die Thematik erörtert, ob § 61 a LWG NRW nach dem Inkrafttreten des neuen Wasserhaushaltsgesetzes des Bundes am 01.03.2010 noch als gültiges Landesrecht angesehen werden könne. Der Vertreter des Bundesumweltministeriums, Herr Dr. Helge Wendenburg, stellte ausdrücklich klar, dass § 61 a LWG NRW gültiges Landesrecht sei. Solange der Bund keine Rechtsverordnung erlasse, gelte das bestehende Landesrecht weiter. Es bestehe zurzeit keine Absicht des Bundes eine entsprechende Rechtsverordnung zu erlassen. Es sei allerdings in § 60 Wasserhaushaltsgesetz ausdrücklich klargestellt, dass der Betreiber von privaten Abwasseranlagen – wozu auch private Abwasserleitungen gehören – verpflichtet sei, diese zu überwachen und zu sanieren, wenn diese defekt seien. Insoweit könnten die Bundesländer konkretisierende Regelungen wie den § 61 a Abs. 3 bis 6 LWG NRW auch unter der Geltung des neuen Wasserhaushaltsgesetzes des Bundes weiterführen. Im Übrigen gelte im Wasserrecht der Vorsorgegrundsatz, d.h. Gefährdungen des Grundwassers müssten vorn vornherein ausgeschlossen werden können. Hierzu gehöre auch die vorsorgende Untersuchung, ob private Abwasserleitungen dicht sein.
Durch die Interessengemeinschaften wurde deutlich gemacht, dass Dichtheitsprüfungen durchschnittlich 500,- € an Kosten verursachen würden und Sanierungskosten von 27.000,- € keine Seltenheit seien. Durch den Stadtentwässerungsbetrieb der Stadt Köln (Herr Brandenburg) , die Stadt Dülmen (Herr Gerle) und den Vertreter der kommunalen Spitzenverbände, Herr Hauptreferent Dr. Peter Queitsch, wurde hingegen deutlich gemacht, dass Dichtheitsprüfungen auch mit einem geringerem Kostenaufwand von 160 € bis 350 € bei normal großen Grundstücken durchgeführt werden könnten. Sanierungskosten für defekte Abwasserleitungen in Höhe von 27.000,- € würden auch nicht den regelmäßigen Praxiserfahrungen entsprechen. Hier seien Sanierungskosten von durchschnittlich 750 € bis 6,500 € pro Grundstück ein Erfahrungswert. Gleichwohl könne nicht ausgeschlossen werden, dass in Einzelfällen aufgrund der besonderen Umstände des konkreten Grundstückes höhere Kosten entstehen könnten.
Durch die kommunalen Spitzenverbände wurde weiterhin vorgetragen, dass durch den Erlass des Umweltministeriums vom 17.06.2011 und durch die gemeinsame Entschließung von CDU, SPD und Bündnis 90/Die Grünen (Landtags-Drucksache 15/2165) am 29.06.2011 die Diskussion um das Thema Dichtheitsprüfung bei privaten Abwasserleitungen grundlegend versachlicht werden konnte. Der Erlass gebe sogar vor, dass bei der Schadensklasse C (geringer Schaden) überhaupt keine Sanierung erfolgen müsse, sondern im Rahmen der nächsten Wiederholungsprüfung, also 20 Jahre später, lediglich erneut der Sanierungsbedarf überprüft werde. Außerdem stelle der Erlass ebenso bei den Schadensklassen A (großer Schaden) und B (mittelgroßer Schaden) heraus, dass letzten Endes die Stadt bzw. Gemeinde entscheidet, wann saniert wird. Die Sanierungsfristen bei der Schadensklasse A (möglichst innerhalb eines halben Jahres) und bei der Schadensklasse B (bis innerhalb von 5 Jahren) seien insoweit nur eine Orientierungshilfe für die Stadt bzw. Gemeinde. Damit sei den Städten und Gemeinden grundsätzlich ein Spielraum eröffnet, um auch soziale Härtefälle abzufedern. Außerdem gehe es zunächst nur darum, eine Dichtheitsprüfung erst einmal durchzuführen. Insoweit könnten die Städte und Gemeinden die gesetzliche Frist zur erstmaligen Durchführung der Dichtheitsprüfung bei bestehenden privaten Abwasserleitungen (31.12.2015) auch verlängern. Die Frage der Sanierung stelle sich also erst zeitlich später. Die Überprüfung der Dichtheit von privaten Abwasserleitungen diene insbesondere dazu, schädliche Bodenveränderungen unter anderem im Vorgarten (z. B. durch Rückstände von Wasch- und Putzmitteln, Farb- und Lackresten, Arzneimitteln) zu vermeiden. Gleichfalls diene die Dichtheit von Abwasserleitungen aber auch dazu, dass Grundwasser in Wasserschutzgebieten zu schützen. Wichtig sei aber ebenso, dass kein Grundstückseigentümer bei einer gegebenenfalls erforderlichen Sanierung überfordert werden soll. Aus den Erfahrungsberichten der Stadtentwässerungsbetriebe Köln und der Stadt Dülmen wurde außerdem deutlich, dass das Gesamtthema sachgerecht mit den betroffenen Grundstückseigentümern abgearbeitet werden kann, wenn den Grundstückseigentümern durch die Stadt eine ausreichende Hilfestellung gegeben wird.
Im Übrigen wurde insgesamt deutlich, dass die Frist zur Dichtheitsprüfung in Nordrhein-Westfalen bereits seit dem 1.1.1996 landesgesetzlich geregelt ist und viele Grundstückseigentümer eine solche Prüfung bereits durchgeführt und private Abwasserleitungen – wenn nötig - saniert haben. Darauf hat der Städte- und Gemeindebund auch in einem neuerlichen Schreiben an Ministerpräsidentin Hannelore Kraft ausdrücklich hingewiesen.